Testen statt verzichten
Die defortec GmbH aus Dettenhausen bei Tübingen, die Contexo GmbH aus Winterbach und das Naturwissenschaftliche und Medizinische Institut (NMI) an der Universität Tübingen aus Reutlingen entwickeln gemeinsam in der Region Stuttgart einen Histamin-Schnelltest. Allein in Deutschland sind mehr als zwei Millionen Menschen von Histamin-Intoleranz betroffen; sie sollen zukünftig Lebensmittel ganz einfach zuhause analysieren können.
Verdauungsprobleme, Juckreiz, Hautrötungen sowie Nesselsucht, erkältungsähnliche Symptome, Kopfschmerzen, Blutdruckabfall, Herzrhythmusstörungen und Ödeme: Die Symptome einer Histamin-Intoleranz sind vielfältig, eine eindeutige Diagnose oft schwierig. Betroffene müssen letztlich auf eine ganze Reihe von Lebensmitteln verzichten, da Histamin in zahlreichen Lebensmitteln vorkommt. Produkte wie Wein, Fisch, Käse oder Sauerkraut können hohe Konzentrationen aufweisen. Histamin gehört zu den biogenen Aminen, einem Eiweißstoff, der in Stoffwechselprodukten von Lebewesen vorkommt und als Vermittlersubstanz (Mediator) für allergische Reaktionen verantwortlich ist. Auch im menschlichen Organismus wird Histamin produziert und spielt, zum Beispiel in der Immunabwehr, eine aktive Rolle. Wenn etwa aufgrund einer Verletzung ein Körperteil anschwillt, liegt das an der Wirkung von Histamin. Auch an der Entstehung von Juckreiz und Schmerz sowie an vielen allergischen Reaktionen ist Histamin beteiligt. Der Stoff wird in der Regel durch Enzyme im Darm abgebaut. Bei einer Unverträglichkeit ist dieser Abbau gestört, sodass sich zu viel Histamin im Körper ansammelt. Die Symptome treten dann insbesondere im Zusammenhang mit der Nahrungsaufnahme auf und können teilweise auch chronisch andauern.
In Deutschland leiden etwa zwei Millionen, weltweit bis zu drei Prozent der Bevölkerung, also wohl rund eine Viertelmilliarde Menschen, an einer Histaminunverträglichkeit. Das biohymed-Kooperationsprojekt entwickelt nun einen einfach zu handhabenden und einmal zu verwendenden Histamin-Schnelltest für Nahrungs- und Genussmittel. Denn bisher kann nur im Labor ermittelt werden, wieviel Histamin ein bestimmtes Nahrungsmittel enthält. Das neue Testsystem hingegen wird nur noch die Größe eines Kugelschreibers haben und das Ergebnis soll binnen fünf Minuten vorliegen. Dr. Verena Grimm, Projektleiterin bei der BioRegio STERN Management GmbH: „Der Histamin-Schnelltest kann von jedem direkt vor dem Verzehr der Lebensmittel selbst angewendet werden. Betroffene können damit vorab gezielt testen, anstatt wie bisher auf viele Lebensmittel ganz verzichten zu müssen.“
Das Projektteam setzt sich aus drei Partnern zusammen: Die defortec GmbH wird im Rahmen des Projektes die Entwicklung des Produktdesigns und der Materialinnovationen – beispielsweise mit Biokunststoffen – verantworten und hat zusätzlich auch maßgeblichen Anteil an der Funktionsentwicklung des Schnelltests in Bezug auf Handhabbarkeit und Marktakzeptanz. Die Contexo GmbH übernimmt die konstruktiven Aufgaben bis zur Kleinserienherstellung. Und das NMI optimiert die Histaminanalytik für Nahrungs- und Genussmittel und begleitet die Prototypenentwicklung.
Seit April 2017 unterstützt das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand ZIM des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie BMWi das Projekt „biohymed“ als ZIM-Kooperationsnetzwerk. Gemeinsam mit Universitäten, Kliniken und wissenschaftlichen Instituten aus der Region sowie kleinen bzw. mittelständischen Unternehmen forciert die BioRegio STERN Management GmbH damit gezielt die Biologisierung der Medizintechnik. Das biohymed-Netzwerk bietet den beteiligten Netzwerkpartnern ideale Rahmenbedingungen, um Förderung für innovative Forschungs- und Entwicklungsprojekte zu erhalten. Das Gesamtvolumen beträgt nach knapp der Hälfte der Projektdauer rund vier Millionen Euro für bisher sieben Projekte; bis zum Ende der Laufzeit in anderthalb Jahren können weitere Projekte eine Förderzusage erhalten.