Patienten und Pflegende können endlich durchschlafen
Dr. Markus Spalek ist Zahnarzt, Fälle von Dekubitus kommen in seinem Fachgebiet eigentlich nicht vor. Anders im privaten Umfeld. Als er vor Jahren das Leiden seiner Großmutter erlebte, konnte er sich nicht vorstellen, dass es dafür keine technische Lösung geben sollte: „Ich habe damals mitten in der Nacht die Idee einer Lagerung der Patienten auf sich bewegenden Rollen skizziert“, erinnert sich der Mediziner. „Doch dann habe ich das Papier in die Nachttischschublade gelegt – und durch meine selbständige Berufsausübung keine Zeit gehabt, die Idee weiterzuentwickeln.“ Nach einigen Jahren, nach einer beruflichen Veränderung, beschloss er seine Ideenskizze von damals wieder aufzugreifen und begann zu recherchieren: „Ein Dekubitus ist zu nahezu 100 Prozent vermeidbar, wenn es genug Personal gibt. Und genau da liegt aktuell das große Problem.“ Sieben bis fünfzehn Minuten dauert eine Umlagerung, die in individuell unterschiedlichen Abständen von ein bis vier Stunden stattfinden
sollte. Je nach Gewicht der Patienten können dafür mehrere Pfleger notwendig sein. Zur Entlastung der Haut können die Betroffenen außerdem auf Weichlagerungs- oder Wechseldruckmatratzen gebettet werden – Lösungen, die durchaus sinnvoll seien und eine Verbesserung der Situation bewirkten. „Aber sie stoßen doch schnell an ihre Grenzen und können das Problem nicht in dem Umfang lösen, wie es aus meiner Sicht erforderlich wäre“, sagt Dr. Spalek. „Das von mir entwickelte Nocubi Liegesystem ist eine elektronisch gesteuerte aktive Unterlage, die sich in der Wirkweise von allen bekannten Antidekubitus-Systemen grundlegend unterscheidet“, erklärt er seine Idee.
Denn ein Dekubitus entsteht dort, wo die Durchblutung nicht mehr funktioniert: Beim dauerhaften Liegen kommt es durch den langen Druck zu einem Abklemmen der Blutgefäße. Dadurch kommt es neben einem Sauerstoffmangel im Gewebe zu einer Anhäufung giftiger Stoffwechselprodukte, die wiederum weitere Schädigungen bewirken. In der Folge entstehen Blutgerinnsel und schließlich stirbt das Gewebe ab. Ein Dekubitus kann das Gewebe bis auf die Knochen schädigen, den Patienten große Schmerzen bereiten und das Pflegepersonal durch die Wundversorgung zusätzlich belasten. Ein Zustand, mit dem sich der Erfinder von Nocubi nicht abfinden wollte. „Durch eine andauernde Veränderung der Auflagepunkte entsteht bei unserem System eine besondere Form des Wechseldruckes, der Nocubi-Effekt. Es findet ein ständiger, engmaschiger Wechsel zwischen Be- und Entlastung statt“, so Dr. Spalek. Dieser Peristaltik-Effekt in den Gefäßen wird durch gefederte Aluminiumrollen erzielt. Sie bewegen sich mit einer kaum wahrnehmbaren Geschwindigkeit unter dem Patienten hindurch und sorgen so für den kontinuierlichen Wechsel der Druckverhältnisse in Richtung vom Fuß zum Kopf. Die Sinnhaftigkeit der Entwicklung bestätigte dann auch die klinische Erprobung: „Im Rahmen einer Studie, die Nocubi gemeinsam mit der BruderhausDiakonie durchführte, konnten wir nachweisen, dass das Umlagerungsintervall in einem Pflegeheim gefahrlos von anderthalb Stunden auf vier Stunden erhöht werden konnte. Damit sind bei den betroffenen Bewohnern statt sechs nur zwei Umlagerungen pro Nacht notwendig. Das ist eine ungeheure Entlastung für die Pflegekräfte.“
Den Prototypen ließ Dr. Spalek noch bei einem Handwerker auf der Schwäbischen Alb herstellen, aber es war ihm schnell klar, dass er bei diesem Projekt größer denken musste. Auf der Suche nach einem Produktionspartner wurde er in der BioRegion STERN bei einem Hersteller von Medizintechnikprodukten fündig. Die BEMOTEC GmbH aus Reutlingen verfügt über eine 25 Jahre lange Erfahrung mit der Herstellung von Rollatoren und Behindertensystemen. Und bei Geschäftsführer Peter Hermann rannte Dr. Spalek mit seiner Idee offene Türen ein: „Das ist für uns eine Herzensangelegenheit, wir haben auch in der eigenen Familie Dekubitus-Erfahrung und Nocubi überzeugte uns sofort.“
Gegründet hat Spalek sein Unternehmen im Juni 2021 gemeinsam mit seinem Sohn Timo Spalek, der aktuell noch BWL studiert. Das junge Familien-Start-up ist tatsächlich noch ein „Wohnzimmer-Unternehmen“, das jetzt aber richtig durchstartet. „Die Konformitätserklärung liegt nun vor, das heißt, jetzt sind wir marktfähig“, freut sich der Gründer. Und der Markt ist riesig: Untersuchungen des Deutschen Instituts für Medizinische Dokumentation und Information zeigen, dass mindestens 30 Prozent der Bewohner von Pflegeheimen dekubitusgefährdet sind. Aber auch für viele andere Menschen kann Nocubi eine große Erleichterung bedeuten: „Ich habe das Nocubi einem Freund zur Verfügung gestellt: Er und seine pflegenden Angehörigen sind begeistert. Dank Nocubi können sie einfach die Nächte wieder durchschlafen. Das ist unendlich wertvoll.“
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