Neue Hoffnung auf Krebsheilung durch therapeutische Impfung
Krebs ist in den Industrieländern neben Herz-Kreislauferkrankungen die häufigste Todesursache. Insbesondere bei Tumorerkrankungen mit Metastasenbildung kann von einer zufrieden stellenden Heilungschance nicht die Rede sein. Die immuntherapeutischen Verfahren, an denen derzeit intensiv gearbeitet wird, sind zum größten Teil mit beträchtlichen Risiken für die Patienten verbunden. Nun präsentiert die Tübinger CureVac GmbH einen weltweit neuartigen, sichereren Ansatz auf der Basis von stabilisierter Ribonukleinsäure (RNA). Er wird derzeit bereits in klinischen Studien an der Universitätsklinik Tübingen erprobt. CureVac ar-beitet an der Entwicklung eines therapeutischen Impfverfahrens gegen Krebs und vertritt das Biotechnologie-Netzwerk BioRegio STERN auf der „BIO 2004“, der inter-nationalen Leitmesse der Biotech-Branche, in San Francisco.
RNA galt wegen ihrer chemischen Instabilität und schwierigen Handhabung für die Immuntherapie bisher als ungeeignet. Deshalb setzen herkömmliche Verfahren die sehr stabile DNA (Desoxyribonukleinsäure) ein, um Erbinformation in Empfängerzel-len zu übertragen. Allerdings mit großen Risiken, denn die Wirkdauer des DNA-Therapeutikums lässt sich nicht kontrollieren. Außerdem kann es zu unerwünschten Wechselwirkungen mit dem Erbgut der Patienten kommen. Diese Gefahren bestehen bei RNA nicht, da sie nicht in den Zellkern und somit in das patienteneigene Genom gelangen kann und darüber hinaus durch im Zellplasma allgegenwärtige Enzyme schnell zerstört wird. Diesen wesentlichen Vorteil macht sich RNActiveTM, eine in der Molekülstruktur stabilisierte „Genfähre“, die stabil bleibt, bis sie ihre Aufgabe erfüllt hat und dann vom menschlichen Organismus restlos abgebaut werden kann, zu Nutze.
Zusammensetzung und Länge des RNA-Strangs, also die Art und Menge der genetischen Information, können in den auf diese Technologie spezialisierten Reinraumlaboren von CureVac variiert werden. Das Tübinger Unternehmen ist welt-weit der einzige Anbieter, der in kürzester Zeit auch im Grammmaßstab exakt defi-nierte RNA-Moleküle mit Längen von bis zu 10.000 Nukleotiden – das sind die Grundbausteine der Erbsubstanz –, nach dem so genannten „Good Manufacturing Practice“-Standard (GMP) liefern kann. Die Qualität nach GMP ist die Voraussetzung für den Einsatz der RNA in klinischen Studien und die Entwicklung gentherapeuti-scher Verfahren.
CureVac arbeitet selbst an der Entwicklung eines Impfstoffs gegen Krebs: Der Strang aus RNActiveTM enthält Teile der Erbinformation von Tumorzellen, des-sen Proteinprodukte von menschlichen Abwehrzellen als fremd erkannt werden. Nach Verabreichung von RNActiveTM in die Haut des Patienten nehmen spezielle Zellen des Immunsystems aktiv RNActiveTM auf, entschlüsseln die Erbinformationen des Tumors und präsentieren die Proteinprodukte. Auf diese Weise wird die Immun-abwehr aktiviert, die nun speziell nach Krebszellen sucht und sie bekämpft. So wird die Bildung von Metastasen (Tochtertumoren), die den Erfolg konventioneller Be-handlungsmethoden häufig zunichte macht, verhindert. Bei diesem Verfahren wird das menschliche Erbgut nicht verändert. Ebenso wenig gelangen Erbinformationen von Viren oder Bakterien in den Organismus, wie es bei vielen anderen gentherapeutischen Ansätzen notwendig ist, dabei aber gleichzeitig ein zusätzliches Risiko für den Patienten darstellt. Über die Verwendung in der Krebstherapie hinaus versprechen Impfstoffe auf der Basis von RNActiveTM gute Aussichten bei der Heilung schwer zu kurierender Virusinfektionen von Menschen und Tieren.
Die Arbeit der CureVac GmbH ist ein herausragendes Beispiel für die neue wissenschaftliche Disziplin „Regenerationsbiologie“, die BioRegio STERN-Geschäftsführer Dr. Klaus Eichenberg als einen entscheidenden Faktor für zuneh-mende internationale Anerkennung und Wettbewerbsfähigkeit des Standorts sieht und daher auch gezielt fördert. Regenerationsbiologie erforscht und nutzt, auch unter Einbeziehung immuntherapeutischer Verfahren wie der Impfung mit RNActiveTM, die Fähigkeit von Zellen und Organen, ihre Funktionstüchtigkeit nach Infektion oder sonstiger Schädigung selbst regulierend wiederherzustellen.