Kopfnicken für die Zukunft des Operierens
Spannende Einblicke und einen Blick in die Zukunft des Operierens gewährte der Workshop zum Fachgebiet „Endoskopie und Robotik in Diagnostik und Chirurgie“, der nach einer pandemiebedingten Pause endlich wieder vor Ort im OP der Klinischen Anatomie stattfinden konnte. Die Medizintechniker aus zahlreichen klein- und mittelständischen Medtech-Unternehmen der Region erlebten wieder Live-OPs sowie praktische Übungen am OP-Tisch und konnten mit Ärztlichen Direktoren und Oberärzten direkt über Herausforderungen – und Lösungen – diskutieren. Am Workshop waren diesmal vom Universitätsklinikum Tübingen Prof. Dr. med. Bernhard Krämer, stellv. Ärztlicher Direktor Gynäkologie, Prof. Dr. Hubert Löwenheim, Ärztlicher Direktor, Universitätsklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, Prof. Dr. Dr. h.c. Arnulf Stenzl, Ärztlicher Direktor der Klinik für Urologie und Direktor des Interuniversitären Zentrums für Medizinische Technologien Stuttgart – Tübingen (IZST), und Prof. Dr. med. Jürgen Honegger, stellvertretender Ärztlicher Direktor Universitätsklinik für Neurochirurgie, beteiligt. Von der BG Klinik Tübingen war Prof. Dr. Tina Histing, Ärztliche Direktorin, Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie, dabei sowie die Direktorin des NMI Naturwissenschaftliches und Medizinisches Institut, in Reutlingen, Prof. Dr. Katja Schenke-Layland.
Begrüßt wurden die Teilnehmer zunächst von Prof. Dr. Bernd Pichler, Dekan der Medizinischen Fakultät der Eberhard Karls Universität Tübingen: „Einschnitte – Einblicke ist eine sehr kurzweilige Veranstaltung. Es wird garantiert spannend, wenn hier Medizin, Technik und Biologie aufeinandertreffen.“ Und Dr. Klaus Eichenberg, Gastgeber und Geschäftsführer der BioRegio STERN Management GmbH bestätigte: „Dies ist ein Format, das weltweit seinesgleichen sucht. Hier entstehen Ideen für ganz neue Produkte und Verfahren. Wenn Sie für die Umsetzung Unterstützung benötigen, sprechen Sie uns an zum Thema Fördermittel.“ Nach einem Grußwort von Dr. Steffen Hüttner, Vorsitzender des Vereins zur Förderung der Biotechnologie und Medizintechnik e. V., startete Hausherr Prof. Dr. Bernhard Hirt, Ärztlicher Direktor des Instituts für Klinische Anatomie und Zellanalytik, die Diskussion, die vom OP der Anatomie in den Hörsaal übertragen wurde und an der sich die Teilnehmer direkt beteiligen konnten.
Cholangioskopie: Einmal-Geräte versus Reinigung
Der erste Eingriff führte tief in den Bauchraum: Eine Laparoskopie, also Bauchspiegelung, in Kombination mit einer Cholangioskopie, die die endoskopische Untersuchung von den kleinsten Gängen im Magen-Darm-Trakt, wie beispielsweise dem Gallengang, ermöglicht. Anhand dieses Eingriffs entspann sich eine erste Diskussion über die Vor- und Nachteile von Einmal-Endoskopen. In der Urologie, in der sehr lange Kanäle benötigt werden, ist die Aufbereitung von Endoskopen häufig schwierig. „Sauber machen ist nicht trivial“, bemerkte Prof. Stenzl. Etwa jedes achte Gerät sei nach der Reinigung defekt; beispielsweise leidet die Glasfaseroptik häufig darunter. Die Klinik untersucht daher aktuell, wie hoch die tatsächliche Umweltbelastung von Einmalgeräten im Vergleich zur Reinigung von wiederverwendbaren Geräten ist. Die Bildgebung der Einmal-Endoskope wird als schlechter angesehen, ihre Handhabung wegen der Größe als umständlicher. Aber: Die Endoskope müssen nach Meinung einiger nicht alles können, also Diagnostik und gleichzeitig Therapie. Häufig will der Mediziner „erstmal nur schauen“. Zum Erstaunen der Medizintechniker wünschen sich einige Anwender nicht ein Gerät mit zahlreichen Anwendungen, sondern hochspezialisierte Geräte für das jeweilige Einsatzgebiet. Diese wären mit entsprechenden Einmal-Elementen auch nicht so kostspielig. Die Ärzte beschrieben, dass eine Endoskopie mit High-End-Geräten, verbunden beispielsweise mit einer Biopsie, ebenso aufwändig sein könne wie ein offen chirurgischer Eingriff. Wie empfindlich die Geräte sind, wurde während des Live-Eingriffs deutlich: Im flexiblen Teil des hauchdünnen Endoskops für die Cholangioskopie entdeckten die Chirurgen eine Läsion, also ein Loch, und mussten den Draht auswechseln. „Es ist genau diese Authentizität, die Einschnitte – Einblicke so außergewöhnlich macht“, erklärt Prof. Hirt. „Wir zeigen nicht das Perfekte, sondern zeigen das, was passiert und besser gemacht werden könnte.“
Routine mit Komplikationen
Der zweite Eingriff wurde von den Chirurgen als „Routine mit Komplikationen“ beschrieben. Denn bei einer Nasenendoskopie ist auch der Zugang zur Schädelbasis und bis zur Wirbelsäule möglich. Die Zusammenarbeit mit Neurochirurgen ist bei diesen Eingriffen sehr wichtig, denn am Dom der Nase ist die Schädelbasis sehr dünn, sodass die Gefahr eines Defektes besteht. Die Chirurgen demonstrierten dies am anatomischen Präparat, verbunden mit dem Wunsch, dass Endoskope für diese Anwendung noch kleiner sein sollten. Dass sich die Wünsche der Ärzte nicht immer einfach erfüllen lassen, merkten die teilnehmenden Medizintechniker in der anschließenden Diskussion an: „Die Geräte sollen gleichzeitig klein sein und lang genug, um überall hinzukommen, sie sollen gut handhabbar sein, am besten von nur einer Person; sie sollen starr sein, um enge Stellen besser passieren zu können, aber gleichzeitig flexibel genug, um Biegungen zu überwinden. Und es sollen High-End-Geräte sein, die nur einmalig verwendet werden.“ Eine weitere Diskussion entspann sich zum Thema Material, das beispielsweise zum Verschließen von Läsionen in der Schädelbasis benötigt wird. Eine besondere Herausforderung, da die Abdichtung transnasal erfolgen muss und dabei Flüssigkeit abfließt. Hier wird als „Medical Need“ nach einer Substanz verlangt, die an die entsprechende Stelle eingegossen werden kann und sich an den Rändern verbindet. Prof. Schenke-Layland machte nicht nur hier den Ärzten Hoffnung, da sie berichten konnte, dass die Forschung in diesem Bereich große Fortschritte mache.
Blick in die Zukunft
Große Aufmerksamkeit erzielte abschließend die Demonstration von Prof. Löwenheim. Mittels eines Head-Mounted Displays (HDM), also einer Art Videobrille, bediente er einen Roboterarm mit Kamerakopf. Auf diese Weise konnte er das 3D-Mikroskop allein durch Bewegungen seines Kopfes steuern; seine Hände blieben für die OP frei, um beispielsweise die feinen Elektroden für ein Cochlea-Implantat in der Gehörschnecke zu platzieren. Der Blick in die Zukunft am Operationstisch beflügelte sogleich weitere Erwartungen: Es wäre laut Chirurgen wünschenswert, dass die Mikroskop-Darstellung auch gleichzeitig Daten über Beschaffenheit von Zellen liefern oder vor Nervenbahnen warnen würde. Letztlich finde hier eine Entwicklung wie beim Automobil statt, erklärte ein Teilnehmer, aber vom vollständig autonomen Fahren bzw. Operieren sei man doch noch weit entfernt.
Save-the-Date! Die nächsten Einschnitte – Einblicke:
Online im Dialog: Orthopädie | Chirurgie | Reha-Technologie
26. Januar 2022 von 16 bis 17 Uhr
Vor Ort im Dialog: Orthopädie | Chirurgie | Reha-Technologie
29. Juni 2022 von 14 bis 19 Uhr
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