Eine App als Lebensretter und für einen gesünderen Lifestyle
Wenn Patienten bei Maximilian Weiß, Assistenzarzt für Innere Medizin, in die Notaufnahme eingeliefert werden, ist es häufig fast schon zu spät: „Wer hier mit einer akut dekompensierten Herzinsuffizienz eintrifft, leidet häufig an einer so weit fortgeschrittenen Herzschwäche, dass nicht mehr genügend Blut transportiert werden kann, um den Körper lebenserhaltend zu versorgen. Dann entstehen Ödeme, Wasseransammlungen in der Lunge und Atemnot bis zur Bewusstlosigkeit. Letztlich sterben zu viele an einer Erkrankung, die sich eigentlich lange vorher angekündigt hatte.“ Allerdings verursachen chronische Herzinsuffizienzen manchmal über Jahre hinweg keine ausgeprägten Symptome. Ein zusätzlicher Auslöser, beispielsweise eine Infektion, kann dann zu einer akuten Verschlechterung führen, die häufig in der Notaufnahme – oder noch schlimmer – endet. „Herzinsuffizienz ist inzwischen die häufigste Einzeldiagnose bei vollstationär behandelten Patienten und sie gehört in Deutschland nach wie vor zu den häufigsten Todesursachen, wenngleich dank besserer Therapiemöglichkeiten die Zahl der Todesfälle rückläufig ist“, erklärt Weiß. Und genau hier setzt Actimi an. „Würde man die entsprechenden Patienten professionell monitoren, könnte rechtzeitig eine Therapie eingeleitet und damit Dekompression und ein Krankenhausaufenthalt verhindert werden. Im Ergebnis könnten wir sowohl die Mortalität als auch die Kosten senken.“
„In den USA ist Telemonitoring bereits gang und gäbe“
Um diese Idee zu verwirklichen, entwickelte der junge Mediziner eine Plattform für Echtzeit-Telemonitoring bei chronischen Krankheiten wie der Herzinsuffizienz. 2021 gründete er als CEO gemeinsam mit Julian Charisius, CMO, und Dietrich Charisius die Actimi GmbH in Stuttgart. Das Start-up verbindet die klassische Medizintechnik mit einer innovativen SaaS-Plattform (Software as a Service Plattform). Das bedeutet, dass Software und IT-Infrastruktur bei einem externen Unternehmen betrieben und vom Kunden als Dienstleistung genutzt werden. 15 Mitarbeiter entwickeln inzwischen die Infrastruktur, damit sich Patienten mit Hilfe einer App auf dem Smartphone sowie Geräten zur Messung von Blutdruck, Blutsauerstoff, EKG, Puls und Gewicht bequem zu Hause „überwachen“ lassen können. Dafür kooperiert das Unternehmen mit verschiedenen medizinisch zertifizierten Hardwareanbietern. „Wichtig ist für Actimi hierbei, dass die medizinische Messgenauigkeit hoch ist und sich die Geräte einfach mit der Actimi Telemonitoring App verbinden lassen“, erklärt Weiß. Selbstverständlich verwendet die App dafür den neuesten Standard FHIR (Fast Healthcare Interoperability Resources), der den Datenaustausch zwischen Softwaresystemen im Gesundheitswesen optimal unterstützt und vor allem die sichere Übertragung der sensiblen Daten garantiert.
Als oberstes Beschlussgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung der Akteure im deutschen Gesundheitswesen hat der Gemeinsame Bundesausschuss GBA das Telemonitoring bei Herzinsuffizienz inzwischen in den Katalog der gesetzlichen Krankenversicherung aufgenommen und die Abrechnung geregelt. Seit dem 1. Januar 2022 gibt es die entsprechenden Leistungspositionen sowie eine Kostenpauschale. Ein Schritt, der längst überfällig war, findet Weiß: „In den USA ist Telemonitoring bereits gang und gäbe, jetzt müssen hier zügig die entsprechenden Telemonitoring Zentren, kurz TMZ, aufgebaut werden, um die erfolgreiche Markteinführung zu ermöglichen.“ Die Hausärzte sollen durch das neue Angebot nicht zusätzlich belastet werden. „Es kann von keinem Hausarzt erwartet werden, dass er sieben Tage in der Woche 24 Stunden am Tag die Daten seiner Patienten überwacht; dafür wird es die spezialisierten TMZ geben.“ Vorgesehen ist zwar, dass der behandelnde Arzt bei einer Verschlechterung der Werte alarmiert wird. Zu seiner Unterstützung steht jedoch rund um die Uhr zusätzlich ein Team von Ärzten in einem TMZ bereit. „Das webbasierte Dashboard bietet einen Überblick über kritische Patienten und deren Gesundheitsstatus. Wenn Werte außerhalb des definierten Grenzbereichs liegen, wird automatisch der Alarm ausgelöst“, so Weiß. Auch ausgewählte Familienmitglieder können informiert werden.
Sicherheit für den Patienten und Entlastung für das Gesundheitssystem
Actimi soll aber nicht nur im Notfall helfen, sondern für Betroffene zum alltäglichen Begleiter werden. Geräte zur digitalen Selbstvermessung werden schließlich von immer mehr Menschen genutzt – für die Fitness und zunehmend auch in der Medizin. „Es ist ein Lifestyle, sich mit Hilfe von Apps seine Gesundheit zu erhalten“, erklärt Weiß. „Unsere App soll dem Patienten dabei helfen, das zu tun, was der Arzt empfohlen hat. Natürlich soll sie nicht den Arzt ersetzen, sondern den richtigen Zeitpunkt finden, wann man ihn aufsuchen sollte. Actimi steht für ‚aktiviere mich!‘“
Die Actimi GmbH, deren App sämtliche DSGVO-Anforderungen erfüllt und deren Daten ausschließlich auf deutschen Servern gehostet werden, engagiert sich auch in einem Forschungs- und Entwicklungsprojekt des Stuttgarter Fraunhofer Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO. Gemeinsam mit den Universitäten Stuttgart und Kassel entwickelt das IAO einen interaktiven ‚Privacy Assistant‘, der die Daten für die Nutzer personalisiert aufbereitet. In dem Projekt „Digitale Selbstvermessung selbstbestimmt gestalten – TESTER“ soll erforscht werden, wie größtmögliche Transparenz über die Daten aus der Selbstvermessung erreicht werden kann. Durch Verfahren des maschinellen Lernens soll sich der Privacy Assistant zudem an die Präferenzen der Nutzenden anpassen und so den Aufwand minimieren. Das dreijährige Verbundprojekt wird mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung gefördert.
Actimi plant, nicht weniger als ein alltagstaugliches System anzubieten und damit einen wichtigen Standard für die Digitalisierung im Gesundheitswesen zu setzen. Die Elektronische Patientenakte EPA gehört ebenso dazu wie Künstliche Intelligenz, die die Daten auswertet. Dr. Klaus Eichenberg, Geschäftsführer der BioRegio STERN Management GmbH, unterstützt mit seinem Team das Unternehmen: „Actimi hat eine innovative Technologie geschaffen. Der Aufwand für den Start ist immens, da es noch keine Best-Practices gibt, wenn sie sich jedoch durchsetzt, sind die Vorteile für diejenigen, die frühzeitig eingestiegen sind, enorm.“
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