Dieses Phantom fühlt sich echt an
Es ist bereits die sechste Förderzusage für ein Forschungsprojekt im Rahmen des Kooperationsnetzwerkes biohymed. Im Oktober trafen sich die drei Partner, die im Rahmen des Projektes „Phantom“ menschenähnliche Dummys entwickeln, mit denen Ärzte und Pflegepersonal Eingriffe oder Operationen unter nahezu realen Bedingungen üben können.
Der Bedarf an Trainingssystemen für Ärzte und Pflegepersonal wächst in dem Maße, in dem die Endoskopie, also die Behandlung und Untersuchung der inneren Organe ohne große chirurgische Eingriffe, an Bedeutung gewinnt. Vor allem die Koloskopie, die Darmspiegelung, ist für eine effektive Vorsorge bei Darmkrebs – immerhin die zweithäufigste Krebserkrankung in Deutschland – sehr wichtig geworden. Bislang gab es jedoch kaum Alternativen zur bisherigen Praxis, die vorsieht, dass angehende Fachärzte an Patienten oder am Tier üben müssen. Übung ist aber unverzichtbar, da diese Eingriffe ein hohes Maß an feinmotorischer Fertigkeit sowie Erfahrung, etwa bei der Entnahme von Gewebeproben bzw. bei der Abtragung von Polypen oder Tumoren, erfordern.
Prof. Dr. med. Karl-Ernst Grund ist Leiter der Experimentellen Chirurgischen Endoskopie am Universitätsklinikum Tübingen und entwickelt Verfahren, Instrumente, Trainingsmodelle und -systeme zur Ausbildung von Ärzten und Pflegepersonal für die flexible Endoskopie. Er weiß, welche Bedeutung Training und Erfahrung für die Qualität ärztlicher Behandlungen haben: Bei unzureichend trainierten Ärzten sind nachweislich Zeitaufwand und Komplikationsraten deutlich erhöht. Letztendlich kommt es bei jeder 127. Endoskopie zu Komplikationen, die durch ein verbessertes Training zu verhindern wären. In diesem Zusammenhang suchte Prof. Grund Spezialisten, die in der Lage sind, mit ihm gemeinsam den idealen „Trainingspatienten“ zu entwickeln. In den Unternehmen EnDeCo aus Grosselfingen und DTS Prototyping aus Bisingen fand er erfahrene „Problemlöser“, um ein Simulatoren- und Ausbildungssystem für die flexible Endoskopie zu entwickeln. Die DTS Prototyping, deren Inhaber Elmar Fecker ist, fertigt hochwertige Prototypen. Seit 1996 wird DTS Prototyping von Automobilherstellern ebenso wie von Medizintechnikunternehmen für Ur-Modelle, Design- und Messemodelle, sowie Kleinserien und komplexe Baugruppen angefragt. Schon seit Firmengründung kommt dabei die 3D-Druck-Technologie zur Anwendung. Die EnDeCo GmbH, mit den Geschäftsführern Harald Rager und Alexander Strobel, unterstützt Unternehmen seit 1984 als Entwicklungspartner im Bereich der mechanischen Produktentwicklung. Die Konstruktion komplexer Baugruppen aus Spritzguss-, Blech-, Dreh-/Fräs- oder Gussteilen gehört bei EnDeCo zur täglichen Arbeit.
Mithilfe des innovativen Trainingssystems sollen Generationen künftiger Ärzte erst dann auf den Patienten „losgelassen“ werden, nachdem sie ausreichend Erfahrung sammeln konnten. Das neue „Phantom“ wird sich aufgrund seiner besonderen Materialeigenschaften wie echt anfühlen. Aber nicht nur die Haptik der Haut wird dem Menschen täuschend ähnlich nachempfunden; die gesamte Anatomie wird dem Original entsprechen. Dazu gehören auch Pathologien, also verändertes Gewebe, das beispielsweise einem Tumor oder Geschwür entspricht und entsprechend diagnostiziert und wie in der klinischen Realität endoskopisch behandelt werden kann. Dies ist im Tierversuch weder hygienisch praktikabel noch ethisch vertretbar.
Im nächsten Schritt soll das Phantom mit Feedback-Funktionen und Sensoren ausgestattet werden. Über eine App lassen sich Trainingsfortschritte und Weiterbildungspunkte für Ärzte dokumentieren und auswerten. Außerdem sollen weitere Organe modular ergänzt werden. Nach der Darmspiegelung kann dann auch eine Magenspiegelung mit Einlegung von Sonden und Stents maximal authentisch trainiert werden. „Das ist dann nicht nur interessant für Ärzte, sondern auch für das Pflegepersonal“, ist sich Fecker sicher. „Dadurch werden weniger Fehler am Patienten passieren, was zum Wohle aller ist.“ Nicht zuletzt hilft das System auch Krankenhäusern dabei, weitere Qualitätsstandards in Bezug auf Fallzahlen und Ausbildungsniveau zu etablieren. Für BioRegio STERN-Geschäftsführer Dr. Klaus Eichenberg ist dies ein wichtiges Beispiel für den Erfolg von Netzwerken wie biohymed: „Viele Herausforderungen gerade in der Gesundheitsbranche lassen sich nur lösen, wenn alle über den Tellerrand ihrer Branche blicken.“