Neuer Forschungsstandort für Komplementärmedizin

Tübingen und Stuttgart fördern als Cochrane-Standort Qualität und Transparenz in der Forschung zu Komplementärmedizin. Komplementärmedizinische Verfahren wie Akupunktur, Yoga oder Heilpflanzen werden von vielen Menschen genutzt, doch ihre Wirksamkeit und Sicherheit sind nicht immer ausreichend wissenschaftlich belegt. Um fundiertes Wissen zu schaffen und die Komplementärmedizin weiterzuentwickeln, wurde an der Medizinischen Fakultät der Universität Tübingen, am Universitätsklinikum Tübingen und am Bosch Health Campus in Stuttgart ein neuer Forschungsstandort des internationalen Forschungsnetzwerks Cochrane Complementary Medicine gegründet – der erste in Deutschland. Unter der Leitung von Prof. Holger Cramer soll er die Forschung zu Komplementärmedizin in Deutschland voranbringen. Der Grundstein wurde bei der feierlichen Gründung am 10. März 2025 gelegt.

Mehr als zwei Drittel der Bevölkerung in Deutschland nutzt komplementärmedizinische Verfahren. Doch wie gut wirken diese im Vergleich zu einer schulmedizinischen Behandlung? Welche wissenschaftlichen Belege gibt es? Und wie sicher sind die Verfahren? „Komplementärmedizinische Verfahren haben Potenzial, die konventionelle Medizin sinnvoll zu ergänzen, etwa in der Schmerztherapie, bei psychischen Erkrankungen oder der begleitenden Versorgung von an Krebs erkrankten Menschen. Dafür ist es essenziell, ihre Sicherheit und Wirksamkeit systematisch zu untersuchen und die Ergebnisse dieser Forschung transparent zu machen“, erklärt Prof. Dr. Holger Cramer, Universitätsprofessor für die Erforschung komplementärmedizinischer Verfahren am Universitätsklinikum Tübingen und Leiter des Robert Bosch Centrums für Integrative Medizin und Gesundheit am Bosch Health Campus in Stuttgart. 

„Mit der Gründung von Cochrane Complementary Medicine Germany schaffen wir eine Plattform, um die Forschung in diesem Bereich zu stärken und wissenschaftliche Erkenntnisse für die breite Öffentlichkeit zugänglich zu machen“, sagt Cramer, Leiter des neuen Cochrane-Forschungsstandortes. 

Teil eines internationalen Forschungsnetzwerks

Cochrane ist ein unabhängiges, internationales Netzwerk von Wissenschaftlerinnen, Medizinern und weiteren Expertinnen, das seit 1993 systematische Übersichtsarbeiten erstellt. Diese sogenannten Cochrane Reviews liefern fundierte wissenschaftliche Bewertungen medizinischer Verfahren und dienen als verlässliche Entscheidungsgrundlage für Patientinnen und Patienten, Ärztinnen und Ärzte und das Gesundheitswesen.

„Mehr denn je prasseln heute Schlagzeilen zu Gesundheitsfragen auf die Öffentlichkeit ein. Doch welche Meldungen sind wissenschaftlich fundiert, welche übertrieben oder sogar falsch? In diesem Informationsdschungel geben systematische Übersichtsarbeiten von Cochrane Orientierung“, erklärt Cramer. Für einen Cochrane Review sichten Autorinnen und Autoren zunächst sämtliche verfügbare Evidenzen zu einer konkreten Fragestellung. Dann bewerten sie die Studienergebnisse nach den strengen Kriterien der weltweit als Goldstandard anerkannten Methodik von Cochrane und fassen sie in einer systematischen Übersichtsarbeit zusammen, die über die Cochrane Library weltweit zugänglich ist. Viele medizinische Leitlinien aus dem Gesundheitswesen beruhen auf Cochrane Reviews. Aber auch Patientinnen und Patienten und interessierte Laien können sich darüber informieren, insbesondere in den laienverständlichen Kurzzusammenfassungen.

In Tübingen und Stuttgart: Forschung zu Yoga bei Diabetes und Akupunktur

Innerhalb von Cochrane gibt es spezialisierte Forschungsfelder, die sich auf spezifische Gesundheitsfragen konzentrieren, darunter Cochrane Complementary Medicine. Dieser Bereich widmet sich der wissenschaftlichen Bewertung komplementärmedizinischer Methoden wie Yoga, Akupunktur oder Heilpflanzen. Cochrane Complementary Medicine hat seinen Hauptsitz in den USA, mit weiteren Forschungsstandorten – sogenannten Satelliten – in China, Korea und der Schweiz. Mit der Gründung des neuen Satelliten in Deutschland erweitern die Universität und das Universitätsklinikum Tübingen sowie der Bosch Health Campus dieses Netzwerk und setzt sich für mehr Qualität und Transparenz in der Forschung zur Komplementärmedizin ein.

Zunächst werden Themen wie Yoga bei Diabetes, Akupunktur bei Spannungskopfschmerz und Echinacea in der Vorbeugung von Infekten in Cochrane Reviews adressiert. Weitere patientenrelevante Themen sollen folgen. Zusätzliche Schwerpunkte sind die Weiterentwicklung der Forschungsmethodik im Bereich der Komplementärmedizin sowie die Verbreitung der Ergebnisse von Cochrane Reviews.

Weitere Informationen

Experte:
Prof. Holger Cramer
Professor für die Erforschung komplementärmedizinischer Verfahren
Institut für Allgemeinmedizin und Interprofessionelle Versorgung

Quelle:
https://www.medizin.uni-tuebingen.de/de/das-klinikum/pressemeldungen/meldung/703?press_str=