Neue Weiterbildungswege in der Medizintechnik-Branche
Bentley und die IHK Reutlingen starten Lehrgang zur „Fachkraft für Medizintechnik IHK“ – Berufliches Schulzentrum Hechingen plant Berufskolleg mit Schwerpunkt Medizintechnik
Hechingen/Reutlingen. Marzena Schuster ist gelernte Bäckereifachverkäuferin, Meral Toprak Zahn-medizinische Fachangestellte, Sonja Saroyan Zahntechnikerin, und Marko Tanic kommt als Fachin-formatiker aus der IT-Branche. Alle vier sind aktuell beim Hechinger Stenthersteller Bentley be-schäftigt, und alle vier wollen Karriere in der wachsenden Medizintechnikbranche machen. Des-halb sind sie bei einer Deutschland-Premiere am Start: Zusammen mit weiteren Kollegen sind sie Teilnehmer des ersten Zertifikatslehrgangs zur „Fachkraft für Medizintechnik IHK“.
Diesen Weiterbildungslehrgang haben die Industrie- und Handelskammer (IHK) Reutlingen und das Unternehmen Bentley gemeinsam entwickelt. Die Kick-off-Veranstaltung hat jetzt im Hause Bentley stattgefunden. Bis zum Start des Lehrgangs am 23. September nimmt die IHK aber noch Anmeldungen entgegen.
Enormer Bedarf an Fachkräften
„Die Medizintechnik-Industrie verfolgt langfristige und nachhaltige Ziele. Um diese zu erreichen, benötigt es dezidiert ausgebildete Fachkräfte, die wiederum von überdurchschnittlich guter Bezahlung sowie interessanten und sicheren Jobs profitieren, sagt Bentley-Geschäftsführer Sebastian Büchert. Speziell im „Medical Valley Hechingen“ sind die Wachstumsperspektiven enorm. Allein Bentley will die Zahl seiner Beschäftigten in den nächsten vier Jahren verdoppeln. Aber auch andere Unternehmen, wie etwa die Erbe Elektromedizin GmbH, die gerade in Rangendingen ein Werk für 500 Mitarbeiter baut, expandieren und haben einen großen Hunger nach Fachkräften. „Wir wünschen uns einen Ausbildungsberuf Medizintechniker“, sagte Sebastian Büchert bei der Auftaktveranstaltung vor IHK- und Branchenvertretern. „Wir können aber nicht zehn Jahre warten, bis auf Bundesebene ein neues Berufsbild geschaffen ist.“
Gemeinsame Pioniertat
Deshalb jetzt die gemeinsame Pioniertat mit der IHK Reutlingen. „Unsere Vision ist es, die Fachkräfte von morgen zu produzieren“, sagte Marcus Schairer, Bereichsleiter Weiterbildung bei der IHK, der den neuen Zertifikatslehrgang zusammen mit Christian Bader, Director Quality & Market Access bei Bentley, vorstellte. Zielgruppe sind zum einen Menschen, die bereits bei einem Medizintechnikbetrieb arbeiten und sich weiter qualifizieren wollen, um zum Beispiel als Teamleiter in der Produktion oder Prozesstrainer mehr Verantwortung übernehmen zu können; zum anderen branchenfremde Quereinsteiger, zum Beispiel Elektriker oder Mechatroniker, die eine technische Ausbildung, aber keine spezifischen medizintechnischen Kenntnisse haben.
Neun Monate bis zum Abschlusstest
Der Lehrgang dauert neun Monate (von September 2022 bis Juli 2023), umfasst 128 Unterrichtseinheiten an 16 Freitagen und Samstagen und mündet in einen Abschlusstest. Ein inhaltlicher Schwerpunkt liegt auf dem Qualitätsmanagement. Weitere Themenfelder sind Hygiene und Reinraumtechnik, Dokumentation, technische Kommunikation, Wartung und Instandhaltung sowie die Planung von Arbeitsabläufen in der Produktion.
Einige der ersten Anwärter auf das neue IHK-Zertifikat, die das Unternehmen Bentley angemeldet hat, stellte Personalchefin Kirsten Laupp vor. Sechs Plätze sind noch für Kandidaten aus anderen Unternehmen frei. Und deren Vertreter zeigten sich spontan begeistert von dem neuen Angebot. „Super, sehr schön, gefällt mir gut“, sagte etwa Peter Barthold, General Manager am Hechinger Standort der Artivion-Gruppe (vormals CryoLife/Jotec). Es ist also damit zu rechnen, dass bei Nilüfer Centinkaya (centinkaya@reutlingen.ihk.de, Telefon 07121/201-255) noch weitere Anmeldungen eingehen.
Berufskolleg mit Schwerpunkt Medizintechnik
Ein weiteres neues Bildungsprojekt für die Medizintechnik, das von den Branchenvertretern nicht minder positiv aufgenommen wurde, stellte Dr. Roland Plehn vor. Der Leiter des Beruflichen Schulzentrums Hechingen arbeitet aktuell an einem zweijährigen Berufskolleg mit Schwerpunkt Medizintechnik. Auch er versteht dieses Angebot als Mittel, um dem hohen Fachkräftebedarf im „Medical Valley Hechingen“ möglichst schnell Rechnung zu tragen. „Ein Start wäre schon im nächsten Jahr möglich“, sagte Dr. Plehn. Bis zu 30 Personen mit mittlerem Bildungsabschluss könnten jährlich in einen solchen Ausbildungsgang aufgenommen werden und nach zwei Jahren einen Berufskolleg-Abschluss mit Schwerpunkt Medizintechnik samt Fachhochschulreife erlangen. Alternativ oder kombiniert könnte sich Dr. Plehn auch vorstellen, Kaufmann- oder Mechatroniker-Azubis innerhalb von drei Jahren die Zusatzqualifikation Medizintechnik zu ermöglichen. Voraussetzung dafür wäre, dass die Betriebe ihre Azubis einen zusätzlichen Nachmittag für die Berufsschule freistellen. Die IHK Reutlingen signalisierte Bereitschaft, eine Zusatzqualifikation auf den Weg zu bringen.
Die Branche gibt das „Go“
Wie die erforderlichen 200 Unterrichtseinheiten nun genau in welche Ausbildungsgänge integriert werden – daran hat Dr. Roland Plehn zu tüfteln. Das „Go“ der Branche durfte er aber erfreut mitnehmen. Im Gegenzug ermunterte der Schulleiter die Branchenvertreter, in ihrem Bemühen um ein maßgeschneidertes Berufsbild nicht nachzulassen. Plehn: „Es gibt den Ausbildungsberuf Speiseeishersteller. Dann braucht es auch den Ausbildungsberuf Medizintechniker.“
Weitere Informationen
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