Neue Behandlungschance für Kinder und Erwachsene mit Blutkrebs: Klinische Studie mit akademisch hergestellten CAR-T-Zellen startet
Das Universitätsklinikum Tübingen startet eine klinische Studie mit einer neuartigen Immuntherapie gegen aggressive Blutkrebserkrankungen. Zum ersten Mal kommt dabei eine weiterentwickelte CAR-T-Zelltherapie zum Einsatz, die in Tübingen selbst hergestellt wird – und zwar gezielt gegen zwei Angriffspunkte auf den Tumorzellen. Die bispezifischen CAR-T-Zellen könnten vor allem Menschen helfen, bei denen eine herkömmliche Behandlung versagt hat. Auch Kinder ab 12 Jahren können an der Studie teilnehmen.
„Diese neue Therapie könnte vielen Patientinnen und Patienten helfen, für die es bisher kaum noch Behandlungsoptionen gab“, sagt Prof. Wolfgang Bethge, Stv. Ärztlicher Direktor der Abteilung für Innere Medizin II, Hämatologie, Onkologie, klinische Immunologie und Rheumatologie. „Dass wir die Zellen direkt in Tübingen herstellen und anwenden können, spart wertvolle Zeit – besonders bei schwer erkrankten Menschen zählt jeder Tag“, ergänzt Prof. Claudia Lengerke, Ärztliche Direktorin der Abteilung und Vorsitzende des Zentrums für hämatologische Stammzelltransplantation und Zelltherapie für Kinder und Erwachsene am Tübinger Universitätsklinikum.
Zielgerichtete Immunzellen – frisch vor Ort hergestellt
Die sogenannte CAR-T-Zelltherapie gehört zu den modernsten Ansätzen in der Krebsmedizin. Dabei werden körpereigene Abwehrzellen der Patientinnen und Patienten gentechnisch so verändert, dass sie Krebszellen gezielt erkennen und vernichten können. In Tübingen werden diese Zellen direkt im Klinikum hergestellt – ohne aufwendige Transporte oder Zwischenlagerung und viel schneller als bei industriellen Herstellern.
Die neue Studie geht noch einen Schritt weiter: Die Tübinger Forschenden haben in Zusammenarbeit mit dem Biotechnologie-Unternehmen Miltenyi Biotec eine bispezifische Variante entwickelt, die gleich zwei Merkmale auf der Oberfläche von Leukämie- und Lymphomzellen erkennt (CD19 und CD22). Diese Erweiterung ist besonders vielversprechend für Menschen, bei denen die bisher zugelassenen Therapien nicht angeschlagen haben oder bei denen die Erkrankung nach einer ersten CAR-T-Zelltherapie zurückgekehrt ist.
Behandelt werden sowohl Erwachsene als auch Jugendliche ab 12 Jahren. Die klinische Prüfung erfolgt in den Abteilungen für Innere Medizin II und der Kinderheilkunde I am neuen Zentrum für Stammzelltransplantation und Zelltherapie. Damit ist Tübingen eines der ersten Zentren in Europa, das eine akademisch entwickelte und selbst produzierte CAR-T-Zelltherapie in einer klinischen Studie erprobt – genehmigt von der europäischen Arzneimittelbehörde.
Expertise im Tübinger Zentrum
Das Zentrum für Stammzelltransplantation und Zelltherapie hat bereits die arztspezifische Herstellungserlaubnis für zwei weitere CAR-T Zellprodukte, mit denen im Rahmen von Heilversuchen Patientinnen und Patienten mit Leukämien und Lymphomen, aber auch therapierefraktären Autoimmunerkrankungen behandelt werden können. Deutschlandweit kann es Patientinnen und Patienten das breiteste Sortiment eigenhergestellter CAR-T Zellen anbieten. „Die Eröffnung dieser Phase I Studie ist ein wichtiger Meilenstein für unser Zentrum“, sagt Prof. Claudia Lengerke. „Das macht die gewachsenen Strukturen und die Expertise sichtbar, die wir im Zukunftsfeld der Zell- und Gentherapien in Tübingen aufgebaut haben.“
Weitere Informationen zur Studie:
Zuweisende Ärztinnen und Ärzte, die ihre Patientinnen oder Patienten für eine mögliche Teilnahme an der Studie anmelden möchten, wenden sich per E-Mail im2@med.uni-tuebingen.de an die Studienleitung (Erwachsene: Prof. Dr. Wolfgang Bethge, Kinder: Prof. Dr. Peter Lang)
Weitere Informationen
Interesse an Studienteilnahme:
im2@med.uni-tuebingen.de
Experte:
Prof. Dr. Wolfgang Bethge
Medizinische Klinik, Innere Medizin II
https://www.medizin.uni-tuebingen.de/de/das-klinikum/pressemeldungen/meldung/707?press_str=