Mit KI den Therapieerfolg bei Parkinson exakter vorhersagen
Eine neue Studie zeigt, wann die Tiefe Hirnstimulation die Lebensqualität von Patientinnen und Patienten verbessern kann.
Maschinelles Lernen kann dabei helfen, die Erfolgsaussichten der Tiefen Hirnstimulation bei Parkinson vorherzusagen. Das zeigt eine neue Studie von Tübinger Forschenden. Anhand der Daten von operierten Patientinnen und Patienten und mithilfe maschinellen Lernens konnten wichtige Faktoren ermittelt werden, die den Therapieerfolg bestimmen. Diese Erkenntnisse könnten nicht nur die Erfolgsquote der Tiefen Hirnstimulation erhöhen, sondern auch die Beratung von Menschen mit Parkinson verbessern. Zukünftig kann präziser prognostiziert werden, wie die Behandlung ihre Lebensqualität beeinflusst – ein wichtiger Fortschritt für die personalisierte Medizin bei Parkinson. Die Studie wurde kürzlich in der Fachzeitschrift NPJ Digital Medicine veröffentlicht.
Die Tiefe Hirnstimulation (THS) hat sich bei neurologischen Erkrankungen bewährt. Besonders Symptome wie Bewegungsstörungen, Zittern, Steifheit oder unkontrollierte Muskelkontraktionen kann die THS lindern. Elektroden, die im Gehirn platziert werden, geben elektrische Impulse ab und verändern die Aktivität der Nervenzellen in diesen Regionen. Bei Parkinson hat sich die THS als besonders wirksam erwiesen. Die Behandlungsergebnisse können allerdings variieren. „Unsere Aufgabe ist es, vorab zu erkennen, wer besonders gut auf die Therapie ansprechen und wer davon weniger profitieren wird“, erklärt Prof. Dr. Alireza Gharabaghi, Ärztlicher Direktor des Instituts für Neuromodulation und Neurotechnologie, der bereits Hunderte dieser Operationen durchführt hat. Der Eingriff, bei dem Sonden im Gehirn platziert werden, ist grundsätzlich sicher, aber wie jede Operation nicht ohne Risiko. „Die OP sollte nur dann durchgeführt werden, wenn sich Symptome und Lebensqualität der Betroffenen auch verbessern.“
Bisher haben sich Ärztinnen und Ärzte vor allem an Erfahrungswerten orientiert. „Es gibt viele verschiedene Aspekte, vor und während der Operation, die den Erfolg der THS beeinflussen. Zu viele um im Einzelfall genau zu wissen, wie gut die Therapie wirkt“, erklärt Gharabaghi. Mit maschinellem Lernen haben die Wissenschaftler Dr. Enrico Ferrea und Farzin Negahbani vom Institut für Neuromodulation und Neurotechnologie die Faktoren herausgefiltert, die den Therapieverlauf am stärksten beeinflussen. Grundlage hierfür waren Daten von Tübinger Patientinnen und Patienten mit Parkinson, denen Elektroden für eine THS implantiert worden waren. Das Ergebnis: Die Bewertung der Lebensqualität vor der Therapie beeinflusst am stärksten, ob Patientinnen und Patienten von der THS profitieren. „Je größer die Beeinträchtigung der Lebensqualität vor der Operation ist, desto mehr Verbesserung gibt es durch die THS“, berichten Prof. Dr. Daniel Weiss, Leiter der Ambulanz für Tiefe Hirnstimulation am Uniklinikum. Er und seine Kollegin Dr. Idil Cebi kennen diese Patientinnen und Patienten aus der engmaschigen Betreuung sehr gut. Die Lebensqualität haben die Patientinnen und Patienten sowohl vor als auch nach dem Eingriff mit dem PDQ-Test bewertet. Der Fragebogen mit 39 Fragen wird in der Parkinson-Therapie verwendet, um den Gesundheitszustand zu messen. Berücksichtigt werden unterschiedliche Kategorien, unter anderem Mobilität, tägliche Aktivitäten, Emotionen, Kommunikation und Sprache sowie kognitive Funktionen wie Gedächtnis und Konzentration.
„Die Implantation der Elektroden liegt in unserer Hand“
Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Hirnaktivität an der Stelle der Elektrodenimplantation. In diesem Bereich des Gehirns werden Aufmerksamkeit, motorische Kontrolle sowie das mentale und emotionale Gleichgewicht mitgesteuert. Bei Parkinson ist bekannt, dass eine übermäßige Aktivität in bestimmten Frequenzbändern zu den charakteristischen Symptomen führt. „Je höher die gemessene Aktivität während der Operation dort ist, desto mehr profitieren Patientinnen und Patienten von der THS“, sagt Ferrea. THS kann die übermäßige Aktivität regulieren und so die Symptome lindern.
Durch die Analyse konnten die Forschenden zudem millimetergenau bestimmen, an welcher Stelle die Elektroden am effektivsten platziert werden müssen, um den besten Effekt auf die Lebensqualität zu haben. Diese Information ist für die operierenden Neurochirurginnen und Neurochirurgen besonders relevant. „Viele Faktoren, etwa das Alter oder die Krankengeschichte unserer Patientinnen und Patienten, können wir nicht ändern. Doch die Implantation der Elektroden liegt in unserer Hand“, sagt Gharabaghi.
Innovative Neurotechnologie für bessere Therapie von Gehirnerkrankungen
Das Tübinger Institut für Neuromodulation und Neurotechnologie wurde 2020 mit dem Ziel gegründet, Patientinnen und Patienten mit neuesten technologischen Entwicklungen zu helfen. Ärztinnen, Neurowissenschaftler, Ingenieurinnen und Informatiker arbeiten zusammen, damit Menschen mit Erkrankungen des Gehirns von modernsten neurotechnologischen Entwicklungen profitieren können. Schwerpunkt ist die Neuromodulation. Dabei geht es darum, Hirnfunktionen positiv zu beeinflussen – durch Hirnschrittmacher zur Tiefen Hirnstimulation, durch magnetische oder elektrische Stimulation oder auch Orthesen, die helfen, die Rehabilitation nach einer Schädigung des Hirns zu verbessern.
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Experte:
Prof. Dr. Alireza Gharabaghi
Ärztlicher Direktor
Institut für Neuromodulation und Neurotechnologie
Autoren: Ferrea E, Negahbani F, Cebi I, Weiss D, Gharabaghi A. Titel: Machine learning explains response variability of deep brain stimulation on Parkinson's disease quality of life. Link: https://www.nature.com/articles/s41746-024-01253-y DOI: 10.1038/s41746-024-01253-y
https://www.medizin.uni-tuebingen.de/de/das-klinikum/pressemeldungen/673?press_str=