10 Millionen Euro ERC Förderung für internationales Forschungsteam
Ein internationales Team aus Deutschland, Frankreich und den USA hat einen der heiß begehrten Synergy Grants des Europäischen Forschungsrates (ERC) erhalten.
Das Projekt PATHOCOM, das mit 10 Millionen Euro über sechs Jahre finanziert wird, will herausfinden, wie pathogene Keime kooperieren, um Krankheiten zu verursachen. Das Team wird von Detlef Weigel vom Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie in Tübingen, Fabrice Roux vom CNRS in Toulouse und Joy Bergelson von der University of Chicago geleitet.
Pathogene Keime sind die Ursache für viele schwere Krankheiten bei Pflanzen, Tieren und Menschen. Oft wird dabei übersehen, dass Krankheitserreger selten allein wirken. Ein Beispiel dafür ist die Grippepandemie 1918/1919; die meisten Todesfälle wurden nicht durch das Grippevirus verursacht, sondern durch Komplikationen einer bakteriellen Lungenentzündung. Wie Erreger kooperieren, um andere, harmlose Mikroben zu verdrängen und in der Folge die infizierten Pflanzen oder Tiere schädigen, ist daher eine Frage, die in vielen Systemen von breiter Relevanz ist.
Erreger-Interaktion verstehen
Ziel des PATHOCOM-Projekts ist es, herauszufinden, wie häufig verschiedene Arten von Interaktionen zwischen Mikroben, insbesondere Kooperation und Konkurrenz, in komplexen mikrobiellen Gemeinschaften auftreten und welchen Einfluss Ökologie und Genetik auf diese Interaktionen haben. Mit anderen Worten: Was sind die Hauptfaktoren für den Erfolg von Krankheitserregern, und wie interagieren Pathogene untereinander und mit der Umwelt innerhalb ihres Wirtsorganismus?
Ähnlich wie bei einem großen Marathonlauf mit verschiedenen Teams und einzelnen Teilnehmern will PATHOCOM herausfinden, wer von den Krankheitserregern mit wem konkurriert und wer von den Mikroben sich mit wem zusammentut, um zu gewinnen.
Diese Fragen werden anhand der Pflanze Arabidopsis thaliana und ihrer mikrobiellen Pathogenen untersucht. Das transatlantische PATHOCOM-Team wird Pflanzen mit fast zweihunderttausend verschiedenen Kombinationen pathogener und nicht-pathogener Bakterienstämme infizieren und messen, wem durch die Koinfektion geholfen wird und wem nicht.
Parallel dazu werden Tausende von Pflanzen von natürlichen Standorten in den USA, Frankreich und Deutschland untersucht, um zu erfahren, wie gut die im Labor entdeckten Muster natürliche Infektionen widerspiegeln. Die beiden Teilprojekte werden durch ausgeklügelte mathematische Modelle verbunden, die die Vorhersage komplexer mikrobieller Gemeinschaften in der Natur ermöglichen, ausgehend von Messungen von Interaktionen im Labor.
Die experimentellen Hürden sind gewaltig, da sich bereits 300 verschiedene Bakterienstämme im Prinzip zu mehr Kombinationen zusammensetzen können, als es Atome im Universum gibt. Der Schlüssel zur Bewältigung dieser Herausforderung liegt in innovativen, auf CRISPR-Cas9 basierenden Methoden zur "Strichkodierung" sowohl von Bakterien als auch von Pflanzen, was einen extrem hohen experimentellen Durchsatz von Laborexperimenten ermöglicht.
Ein wichtiges Element von PATHOCOM ist, dass nicht nur unter künstlichen Laborbedingungen geforscht werden soll, sondern dass auch Feldversuche mit gentechnisch veränderten Pflanzen und Bakterien durchgeführt werden. Da es aufgrund der geltenden Vorschriften nahezu unmöglich ist, solche Studien in Europa durchzuführen, werden diese Experimente unter realen Bedingungen in den USA an einem speziellen Standort der Universität von Chicago stattfinden.
Innovative Schritte zur Kontrolle von Krankheitserregern
„In einem Jahr wie diesem ist es unnötig zu betonen, wie wichtig es ist zu verstehen, was es Krankheitserregern ermöglicht, ihren Wirt zu schädigen. Es gibt viele Faktoren, die den Erfolg von Erregern bestimmen, aber ein Schlüsselfaktor ist oft das Vorhandensein anderer Mikroben. Wir müssen verstehen, was den Erfolg von Krankheitserregern in komplexen mikrobiellen Gemeinschaften bestimmt, wenn wir neue Interventionen zu ihrer Bekämpfung entwickeln wollen", sagt Detlef Weigel, der federführende Projektleiter.
Seine Kollegin Joy Bergelson fügt hinzu: „Die Aufdeckung der ökologischen und genetischen Faktoren für den Erfolg von Krankheitserregern wird ein erster Schritt sein, der dazu beitragen wird, Pflanzen-Pathogen-Studien zu einer Wissenschaft mit Vorhersagekraft zu machen, die auch auf andere Erreger und Wirte angewendet werden kann.“
„Dieses Wissen kann wiederum zur Grundlage für die Entwicklung radikal neuer Wege werden, um zu verhindern, dass schädliche Keime mikrobielle Gemeinschaften erobern und Krankheiten verursachen, mit dem ehrgeizigen Zukunftsziel, eine personalisierte Landwirtschaft zu entwickeln", schließt Fabrice Roux, der dritte Leiter dieses Teams.
Interkontinentale Teamarbeit
ERC-Grants gelten allgemein als das Kronjuwel der wettbewerbsorientierten Finanzierung akademischer Forschung in Europa, und die Synergy Grants stehen an der Spitze der ERC-Hierarchie, mit weniger als 40 Grants pro Jahr für alle Disziplinen, von den Geistes- bis zu den Naturwissenschaften. Das Synergy-Grant-Programm des ERC unterstützt komplexe Projekte von herausragenden Forscher*innen, die sich zu einem erweiterten Exzellenzteam zusammenschließen und ihr Wissen, ihre Ressourcen und ihr Fachwissen bündeln. Ein Team besteht aus zwei bis vier gleichberechtigten Projektleiter*innen, mit der Möglichkeit, dass ein Mitglied von außerhalb der EU kommt.
Dies ist der zweite ERC-Grant für Detlef Weigel, der sich außerhalb seiner Grundlagenforschung für eine wissenschaftsbasierte Bewertung von Gentechnik und Genomeditierung einsetzt. Seine Abteilung am MPI und die in seiner Abteilung ausgebildeten Wissenschaftler*innen haben bislang etwa 5% aller ERC-Grants, die seit 2007 für pflanzenwissenschaftliche Projekte vergeben wurden, eingeworben – eine in jeder Disziplin beispiellose Leistung.
Weitere Informationen
Weitere Informationen:
ERC 2020 Synergy Grant Förderungen
Kontakt:
Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie
Max-Planck-Ring 5
72076 Tübingen
Tel.: +49 7071 601-444
https://www.eb.tuebingen.mpg.de/de/artikel/10-millionen-euro-erc-foerderung-fuer-internationales-forschungsteam/